Wenn der Diesel weg soll: Anwalt ermuntert Besitzer, Ansprüche gegen Hersteller durchzusetzen

Von Christiane Stein – www.wiesbadener-kurier.de

WIESBADEN – Es gibt sie schon. Urteile und Vergleiche, die für die Besitzer von Dieselfahrzeugen bares Geld wert sind. Über die rechtlichen Möglichkeiten, gegen Autohersteller vorzugehen, und über die Erfolgschancen sprachen wir mit Fachanwalt Joachim Cäsar-Preller. Seine Kanzlei in Wiesbaden vertritt derzeit bereits mehrere hundert Mandate von Verbrauchern, die vom Diesel-Skandal betroffen sind und sich am liebsten von ihrem Fahrzeug trennen möchten. Nach der Fahrverbot-Entscheidung der Verwaltungsrichter in Leipzig rechnet er erneut mit einer Flut von Anfragen.

Herr Cäsar-Preller, viele Diesel-Fahrer haben ihre Autos in dem Glauben gekauft, mit geringen Emissionen mobil zu sein. Nun droht für bestimmte Modelle sogar ein Fahrverbot. Wer kann sich wehren?

Eines vorab – die Erfolgsaussichten gegen die diversen Autohersteller betrachte ich als groß. Rechtlich gibt es dabei verschiedene Möglichkeiten, von der nachträglichem Minderung des Kaufpreises über den Rücktritt vom Kaufvertrag bis hin zum Schadenersatz. Das muss immer im Einzelfall geprüft werden. Entscheidend sind Automarke, das Datum der Auslieferung, aber auch die Art der Finanzierung. Wir haben für mehrere Mandanten vor Gericht bereits lukrative Vergleiche erreicht, über deren Inhalte allerdings Stillschweigen vereinbart ist. Erste Urteile erwarten wir im Frühjahr.

Was ist aus Sicht des Verbrauchers der erste Schritt?

Unterscheiden muss man, ob bei dem Wagen eine sogenannte Schummelsoftware verwendet wurde oder nicht. Also, ob der Hersteller etwas falsch gemacht hat und der Käufer bewusst getäuscht wurde. Konkret geht es um eine Vielzahl von Fahrzeugen von VW, Audi, Porsche, Seat und Skoda. Aber auch BMW ist nun mit zwei Modellen in den Blick gerückt. Mit der Fahrgestellnummer kann man im Internet prüfen, ob das Auto eine Schummelsoftware hat. Wer solch ein Fahrzeug besitzt, kann gegen den Hersteller vorgehen. Der Händler ist nur der richtige Ansprechpartner, wenn er eine einhundertprozentige Tochter des Herstellers ist.

Wann kann ich Schadenersatz fordern?

Für erfolgversprechend halte ich Ansprüche, die mit „unerlaubter Handlung“ und „arglistiger Täuschung“ begründet werden. Voraussetzung dafür ist, dass VW die Schummelsoftware nachweisbar bewusst eingebaut hat, um den Käufer zu täuschen. Auf dieser Basis laufen viele Klagen, zahlreiche auch schon mit positivem Ausgang für die Diesel-Besitzer. Hier gibt es allerdings einen sehr wichtigen Stichtag: Die Ansprüche verjähren am 31. Dezember 2018. Diese Frist resultiert aus dem Jahr des Bekanntwerdens der Vorwürfe, also 2015. Von da an gelten drei Jahre bis zum Jahresende.

Was würde es für mich als Diesel-Besitzer bedeuten, wenn ich aus einem dieser beiden Gründe Schadenersatz zugesprochen bekomme?

Der Kunde muss dann so gestellt werden, als hätte er das Auto gar nicht gekauft. Konkret heißt das: Der Hersteller bekommt das Fahrzeug zurück und der Kunde sein Geld. Eventuell kann noch eine Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer abgezogen werden.

Und es wäre unerheblich, wie alt das Fahrzeug ist?

Ja, solange es mit einer Schummelsoftware ausgestattet ist.

Und wie sieht es aus, wenn ich mich auf das Gewährleistungsrecht aus dem Kaufvertrag beziehe?

Solche Rechte bestehen in der Regel zwei Jahre nach Übergabe des Fahrzeugs. VW hatte zwar auf die sogenannte „Einrede bei der Verjährung“ für alte Fahrzeuge verzichtet, allerdings nur bis zum 31. Dezember 2017. Deshalb können unter diesem Aspekt nur noch die Rechte für Fahrzeuge geltend gemacht werden, die in den Jahren 2016 und 2017 gekauft wurden. Und diese richten sich gegen den Händler.

Und welche Rolle spielt es, wenn das Fahrzeug finanziert oder geleast wurde?

Dann ist unerheblich, ob bei der Software geschummelt wurde oder nicht. Hier ist entscheidend, ob es sich um ein sogenanntes „verbundenes Geschäft“ handelt und die Widerrufsbelehrungen im Vertrag fehlerhaft sind. Die Finanzierung des Kaufs muss über eine konzerneigene Bank der Hersteller abgewickelt worden sein – das kann dann auch andere als VW und die Tochterunternehmen betreffen. Bei fehlerhafter Belehrung kann der Kredit- oder Leasingvertrag widerrufen werden. Und das ist nicht selten. Auch hier ist eine Rückabwicklung möglich: Fahrzeug zurück zum Händler, Geld zurück zum Käufer – eventuell unter Abzug einer Nutzungsentschädigung.

Müssen die Rechtsschutzversicherungen eigentlich die Kosten übernehmen, wenn ich mich zu rechtlichen Schritten entscheide?

Wichtig ist, dass die Verkehrsrechtsschutzversicherung schon zum Zeitpunkt des Fahrzeugskaufs bestanden hat. Dass sich Unternehmen in der Vergangenheit geweigert haben, Kosten zu übernehmen, weil sie die Erfolgsaussichten gegen VW als zu gering einstuften, haben Gerichte inzwischen für unzulässig erklärt. Durch das Fahrverbot-Urteil werden die Gebrauchtwagenpreise für Diesel weiter sinken. Wegen des oft hohen Schadens im Einzelfall, kann es auch für Verbraucher ohne Rechtsschutz sinnvoll sein, gegen die Autokonzerne vorzugehen. Das muss man prüfen.

Quelle: http://www.wiesbadener-kurier.de/wirtschaft/wirtschaft-regional/wenn-der-diesel-weg-soll-anwalt-ermuntert-besitzer-ansprueche-gegen-hersteller-durchzusetzen_18557390.htm

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